Von Kunertka zu Elitka

Autor: Jan Němec

Die Familie von Julius Kunert, Gründer der einst größten europäischen Fabrik für Strümpfe, stammt aus Česká Lípa (Böhmisch Leipa). Deren Vorfahren lebten in Zákupy (Reichstadt), Velenice (Wellenitz) und Velký Grunov (Groß Grünau) und widmeten sich der Herstellung und Verarbeitung von Garnen und Textilien. Julius Kunerts Großvater Anton Kunert arbeitete in der Kattundruckerei Leitenberger in Zákupy, sein Vater Gustav war gelernter Tuchfärber. Auch ihn zog es Mitte der 1880er Jahre in die Stadt Varnsdorf (Warnsdorf), deren rasante Entwicklung in der Textilproduktion ihr den Namen „Nordböhmisches Manchester“ einbrachte. Gustav Kunert gründete im dritten Bezirk von Varnsdorf eine Färberei für Stückware. Sie stand nicht weit von dem Gebäude entfernt, in dem später die berühmte Strumpffabrik angesiedelt war.

Hinter allem steht eine Frau

Julius Kunert kam am 21. März 1871 zur Welt, und zwar noch in Velký Grunov, wo er die Grundschule besuchte. Nach der Übersiedelung seiner Familie nach Varnsdorf erlernte er das Tischlerhandwerk und war später in einer eigenen Werkstatt tätig, die sich ganz in der Nähe des Unternehmens von seinem Vater befand. Auch seine spätere Ehefrau Maria Worm lerne er in der Nachbarschaft kennen; sie arbeitete in einer Varnsdorfer Weberei. Dank der finanziellen Unterstützung des Vaters von Maria Worm errichtete das frisch vermählte Paar das Haus mit der Konskriptionsnummer 1342. Das Viertel, in dem die Familie Kunert lebte, war früher selbständiges Dorf – Neu Franzenthal. Der Vater verlegte seine Werkstatt hierher und in den Jahren 1896 bis 1901 kamen hier die Kinder Maria, Elfriede, Heinrich, Julius und Emilie zur Welt. Auch der Grundstein für Kunerts Strickwaren-Imperium wurde an diesem Ort gelegt.

Als die Kinder etwas größer waren, kaufte Maria Kunert ein Handstrickgerät aus zweiter Hand und nahm im Jahr 1906 eine selbständige Gewerbetätigkeit auf. Ab 1913 unterstützte die älteste Tochter Maria der Mutter bei der Herstellung von Strümpfen und Schals. Diese Maschine, die zur Grundlage des geschäftlichen Erfolgs der Familie Kunert wurde, sollte später im künftigen Strickerei-Konzern einen Ehrenplatz einnehmen. Noch 1924 wurde sie zur Herstellung von Strümpfen verwendet.

1910 gab es einen großen Brand in der Tischlereiwerkstatt, doch dieser konnte den unternehmungslustigen Tischler und Gewerbetreibenden nicht aufhalten. Im Gegenteil: Er baute sein Werkstatt stark aus und musste die Produktion während des Ersten Weltkriegs in das Gebäude der aufgelassenen Textilfabrik Schreiner (der späteren Zweiradfabrik von Josef Eitrich) verlegen. Dort arbeitete er an der Herstellung von Kisten für die Armee. Nach der Verlegung der Tischlerei wurde das Haus von Maria Kunert genutzt, die ebenfalls fleißig an Armeeaufträgen arbeitete. Auf angekauften Strickmaschinen, die von Leiharbeiterinnen bedient wurden, produzierte man Unterhemden, Bauchbinden, Kniebinden und andere Waren für österreichische Soldaten. Neben Mutter und Tochter beherrschte auch Sohn Heinrich Kunert (1899–1982), Absolvent der Strickschule in Krásná Lípa (Schönlinde), das Stricken. Sein jüngerer Bruder Julius (1900–1993) absolvierte die Handelsschule in Varnsdorf und wurde anschließend Sachbearbeiter im Bezirksamt.

Obwohl der Tischler Kunert nach Kriegsende seine Produktionslinie um moderne Büromöbel erweiterte, setzte sich schließlich das Gewerbe mit Strickwaren in seiner Familie durch – es war rentabler. Die Maschinen und Materialien der Tischlerei wurden 1920 von einer konkurrierenden Möbelfirma übernommen und der fast 50-jährige Julius Kunert und sein Sohn Heinrich übernahmen die Produktion von Strümpfen, Schals, Herrenstrickwesten und Krawatten von den Frauen. Weder Maria Kunert noch ihre Tochter Maria (verheiratete Neumann) beteiligten sich danach am Familienunternehmen.

Kunert übernimmt den Staffelstab

Noch im selben Jahr gründeten Julius und Heinrich Kunert die Firma Julius Kunert, Strickerei und Krawattenfabrik, die sich jedoch nicht lange hielt. Heinrich Kunert überzeugte die Familie, moderne leistungsstarke Strickmaschinen anzuschaffen, auf denen fertige Strickteile hergestellt werden konnten, vor allem Damenstrümpfe, die angesichts der aufkommenden modischen kurzen Röcke sehr gefragt waren. Die Kunerts nahmen die Produktion jedoch nicht in Varnsdorf, sondern im benachbarten sächsischen Großschönau auf, da sie zu Recht davon ausgingen, dass das Unternehmen dort besser in der Lage sein würde, den großen deutschen Markt zu erschließen. Ihre Pläne wurden jedoch durch die große deutsche Inflation durchkreuzt: der Betrieb musste geschlossen werden, die Maschinen abtransportiert. Im Juni 1924 gründeten Julius Kunert und seine Söhne das öffentliche Handelsunternehmen Julius Kunert & Söhne. Julius Kunert sen. wurde Direktor, Heinrich kümmerte sich um die Produktion, Julius jun. um die Geschäfte. Im Jahr 1928 wurde Ing. Heinrich Löffler (1900–1944), Ehemann von Elfriede Kunert, Prokurist der Firma.

Im Jahr 1924 kauften die Kunerts ein Grundstück gegenüber ihres Hauses und errichteten darauf ein ebenerdiges Produktionsgebäude, in dem die Produktion sofort nach der Fertigstellung aufgenommen wurde. Anfangs beschäftigten die Kunerts nur 18 Angestellte, die täglich 300 Paar Strümpfe herstellten. 1929 waren es bereits 800 Angestellte, die täglich 15.000 Paar Strümpfe produzierten. Zehn Jahre später hatten die Kunerts 3.500 Beschäftigte, die täglich 100.000 Paar der begehrten Kunstseidenstrümpfe auf Cottonmaschinen herstellten.

Die traditionellen Strickereien, hauptsächlich in Krásná Lípa und Umgebung angesiedelt, konnten nicht derart schnell auf aktuelle Mode-, Material- und Produktionstrends reagieren. Sie verfügten zwar über eine breite Produktpalette und waren in der Lage, die anspruchsvollen Anforderungen ihrer Kundschaft zu erfüllen, doch war ihre Kleinserienfertigung relativ teuer. Eine umfangreiches Produktsortiment kennzeichnete auch die größte Strickerei in Krásná Lípa – die Firma Stefan Schindler, geleitet von dem Unternehmer Josef Franz Palme. Dieser ist bis heute bekannt für die Errichtung einer funktionalistischen Villa, der sogenannten „Palmovka“, und einer Produktionsstätte nach Plänen des Dresdner Architekten Hans Richter. Palme wurde Anfang der 1930er Jahre von den Einheimischen als selbstverliebter, skrupelloser Kapitalist wahrgenommen, der seine Arbeiter und Arbeiterinnen in Zeiten der Wirtschaftskrise unter Androhung von Entlassungen zu harter Arbeit für einen Hungerlohn zwang, um so auf das Niveau seiner erfolgreicheren Konkurrenten aus Varnsdorf zu kommen.

Obwohl auch die Kunerts ihre Angestellten nicht verwöhnten, war ihre Produktionsstrategie doch eine andere. Sie produzierten nur die stark nachgefragten Formstrümpfe (regulär oder fully fashioned), sowohl aus japanischer Natur- als auch aus Kunstseide (Viskose), die von der deutschen Aktiengesellschaft J. P. Bemberg aus Wuppertal nach Varnsdorf geliefert wurden. Für die aus Bemberger Kunstseide gestrickten Strümpfe wurde die Marke „Elite“ erfunden – die namensgebend für die nach dem Zweiten Weltkrieg verstaatlichte Firma war. Die begehrten Viskosestrümpfe machten bis zu 80 % der Firmenproduktion aus. Die Unternehmer brachten sie in nur drei Größen und sieben Farben auf den Markt, dafür aber in nie dagewesenen Mengen und damit kostengünstig. Die enorme Expansion der Varnsdorfer Strickerei war auch zurückzuführen auf den Boykott deutscher Produkte durch die Welthandelskonzerne, die sich überwiegend in jüdischer Hand befanden. Die Strümpfe aus Varnsdorf ersetzten weitgehend jene, die in dem von nationalsozialistischen Antisemiten beherrschten Land produziert wurden. Kunerts bedeutender wirtschaftlicher Erfolg war die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit dem noch heute bestehenden englischen Unternehmen Marks & Spencer mit 280 Geschäften, das drei Produkte von Kunert in sein Sortiment aufnahm. „Handel und Freundschaft mit Juden und anderen Reichsfeinden“ war während des Zweiten Weltkriegs eine gängige Denunziations-Phrase der verbitterten Konkurrenz, die Kunert in den 1930er Jahren aus dem Weg geräumt hatte. Darüber hinaus übertrug das Unternehmen den Vertrieb seiner Waren einem Netz eigener Vertreter, wodurch ein umfangreicher kostspieliger Zwischenschritt entfiel. Ab den frühen 1930er Jahren kooperierten die Kunerts mit der Schuhfabrik Baťa aus Zlín und lieferten auch Strümpfe in deren Filialen.

Im Jahr 1930 kosteten Luxus-Strümpfe aus Naturseide der Marke „Crystal-rub“ 29 Tschechoslowakische Kronen, während der Wirtschaftskrise 1934 waren sie für 10 Kronen erhältlich. Diese Preis lag nach Angaben des Herstellers unter den Herstellungskosten.

Durch Spezialisierung und Kooperationen hielten die Strümpfe der Firma Kunert der weltweiten Konkurrenz stand. Die hohe Nachfrage nach diesen Strümpfen führte zur umfangreichen Erweiterung der Produktion. Zwischen 1928 und 1936 wurde in Varnsdorf ein Komplex konstruktivistischer Produktionshallen nach Plänen des Architekten und Bauingenieurs Rudolf Dinnebier errichtet, was das Panorama der Stadt deutlich veränderte. 1928 errichtete man das erste achtstöckige Hochhaus mit einem 36 Meter hohem Turm, von dem nachts der Name der erfolgreichen Firma in die Ferne strahlte. 1929 kaufte die Firma das Areal der nahegelegenen Textilfirma Stoll, ließ deren alte Produktionshallen abreißen und errichtete zwischen 1929 und 1936 drei rechteckige sechsstöckige Gebäude, in denen sich die Direktion, Färberei, Verpackungserzeugung und ein Kraftwerk mit Kühlturm befanden. Die alte Produktionsstätte baute die Unternehmer zu einer großräumigen Fabrikkantine mit Kaffeehaus um. Im zuletzt errichteten Gebäude (1936) war ein Teil der Produktionskapazität für die Firma von Heinrich Kunert und Heinrich Löffler reserviert, die sich für kurze Zeit der Herstellung von Seidenunterwäsche widmete. Im Jahr 1937 befanden sich 700 der 1.000 Cottonmaschinen der gesamten Tschechoslowakei im Besitz des Unternehmens der Kunerts. Die Firma exportierte 80 % der produzierten Ware, was sie zu einer wichtigen Devisenquelle für den Staat machte. Mitte der 1930er Jahre war Kunert die größte Strumpffabrik in Europa und kurzzeitig auch weltweit.

Die Varnsdorfer Strickerei begann bald, die Konkurrenz aus Krásná Lípa zu übertrumpfen, denn das Interesse an deren altmodischen, unförmigen Strümpfen ging zurück. Die Anschaffung neuer Maschinen und Technologien war in der Wirtschaftskrise jedoch mehr als riskant – den Preis dafür zahlten beispielsweise die Besitzer der Strickerei von Anton Wenzel, die Cottonmaschinen auf Kredit kauften und diesen nicht zurückzahlen konnten. Die Fabrik wurde von der Bank für Industrie und Handel (ehemals Länderbank) übernommen, die die neuen Maschinen an Stefan Schindler verkaufte. Deren Chef Josef Franz Palme nahm zwischen 1929 und 1930 bei derselben Bank einen Kredit in Höhe von zwanzig Millionen Kronen auf, um eine neue Fabrik zu bauen und auszurüsten, um konkurrenzfähige Strümpfe zu produzieren und die Firma aus Varnsdorf einzuholen. Dies kam jedoch nicht zustande, und das Unternehmen war nicht in der Lage, das Darlehen zurückzuzahlen. Um die Firma Kunert zu schädigen, verkaufte Palme ab 1937 seine Strümpfe um zehn Prozent günstiger, woraufhin die Leitung der Varnsdorfer Strickerei ohne Palmes Wissen die Bankschulden aufkaufte. Mitte 1937 gliederten die Kunerts damit Palmes Unternehmen mit seinen tausend Beschäftigten in ihr Imperium ein und verschrottete dessen veraltete Maschinen weitgehend. Der Streit um die unsaubere Übernahme des Unternehmens durch einen Konkurrenten wurde in der Folgezeit sowohl vor tschechoslowakischen als auch vor deutschen Gerichten ausgetragen und fand erst mit dem Tod von Palme am 29. April 1944 ein Ende. 1950 gründete sein Sohn, der Jurist Dr. Otto Palme, zusammen mit dem Unternehmer Fred Vatter aus Krásná Lípa die Firma Bellinda, die nach dem Zweiten Weltkrieg einer der größten Konkurrenten der Gebrüder Kunert war.

Schindlers Strickerei war jedoch weder der erste noch der letzte Betrieb, den die Kunerts übernahmen – 1936 kauften sie die Strickerei von Johann Nitsch in Vlčí Hora (Wolfsberg), 1938 die bereits erwähnte Strickerei von Anton Wenzel in Krásná Lípa. Heinrich Löffler, der Bevollmächtigte und Schwager der Gebrüder Kunert, war ebenfalls sehr aktiv und erwarb die Strickereien von J. J. Schwadron & Co. und Josef Scheibner in Krásná Lipa, und im Oktober 1943 übernahm er auch die Aufbereitungsanlage und die Färberei der Firma Hielle & Wünsche. Obwohl Heinrich und Julius Kunert keine Mitglieder von der Sudetendeutschen Partei Konrad Henleins waren und nicht mit den Nazis sympathisierten (sie mussten 1943 unter Druck in die NSDAP eintreten), nutzten sie die zahlreichen Kontakte Löfflers zu den NS-Parteivertretern und der Führung des Reichsgaus Sudetenland in Liberec. Über Löffler erwarb die Firma Kunert zu günstigen Konditionen das Prager Kaufhaus ARA von der jüdischen Familie Amschelberg und eine Beteiligung an der arisierten Aktiengesellschaft E. G. Pick in Horní Litvínov (Oberleutensdorf). Die hohen Devisenabgaben (20.000–30.000 Pfund pro Woche) verhinderten, dass NS-Verwalter in der Firma Kunert eingesetzt wurden.

Die Familie Kunert musste einen Teil der Produktionskapazitäten der Kriegsproduktion opfern und Fallschirmgewebe aus Polyamidfasern (Perlon) für die Armee herstellen. Von dem erwirtschafteten Geld, das schnell an Wert verlor, kauften die Unternehmer neue Cottonmaschinen und planten den Bau eines neuen Gebäudes zur Veredelung von synthetischem Garn.

Unmittelbar nach dem Krieg schickten die Firmeninhaber – Julius Kunert sen. schied 1939 aus dem Unternehmen aus – dem tschechoslowakischen Innenministerium „ein umfassendes Alibi ihrer Loyalität zur Tschechoslowakischen Republik“, woraufhin die Bezirksverwaltungskommission Varnsdorf von Prag aus angewiesen wurde, den Brüdern Kunert Schutzzertifikate auszustellen. Aufgrund dieser Bescheinigungen blieben die beiden in der Firma – sehr zum Unmut des eingesetzten Nationalverwalters Vladislav Matulík.

In den befreiten Grenzgebieten wurde das Gesetz jedoch je nach Bedarf gebeugt, und niemand kümmerte sich allzu sehr um Befehle aus Prag. Militärische und paramilitärische Einheiten zogen durch die Lande, und verschiedene selbsternannte „Partisanen“ und „Kommissare“, die an die Strukturen der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei gebunden waren, die im Grenzgebiet eine Machtbasis errichtet hatte, übernahmen die Verwaltung und die Sicherheit. Die Situation der Kunerts war daher extrem angespannt. Bei einer Hausdurchsuchung am 27. August 1945 wurde in der Villa der Gebrüder Kunert (Konskriptionsnummer 1559, ab 1950 Betriebsclub der Firma Elite) Wertgegenstände und Lebensmittel gefunden, „die sie vor den plündernden Soldaten und befreiten Kriegsgefangenen versteckt hatten“. Die Entdeckung war ein willkommener Vorwand, um die beiden Brüder und ihre Familien in Schutzhaft zu nehmen. Offenbar auf direkte Anweisung von Jan Masaryk, der die beiden Geschäftsleute kannte, wurden Heinrich und Julius Kunert am 5. September 1945 mit einem Regierungswagen nach Prag gebracht, wo sie per Dekret die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft zurückbekamen und dann mit dem Zug zurück nach Hause fuhren. Am Bahnhof in Varnsdorf wurden sie von bewaffneten Männern erwartet, die alle ihre Dokumente vor ihren Augen zerrissen und sie zurück ins Gefängnis brachten. Eines Tages im Dezember fanden sie die Zellentür offen vor, und machten sich über die unbewachte Grenze auf nach Deutschland. Ähnlich agierten die Kommunisten im März 1947, als sie im Rahmen des berühmten „Varnsdorfer Streiks“ die Arbeiterinnen und Arbeiter gegen den rechtmäßigen Besitzer der Textilfabrik, Emil Beer, aufbrachten. Die Missachtung von Gesetzen und Anordnungen der übergeordneten Behörden blieb auch in diesem Fall ohne Folgen.

Die Brüder, ihre Familien und Eltern begannen ein neues Leben in Immenstadt im Allgäu. Im Gegensatz zu den anderen aus der Tschechoslowakei vertriebenen Unternehmern begannen sie nicht mit leeren Händen, denn als „die Inhaber im Sommer 1945 unter dem Druck ihrer Angestellten aus dem Unternehmen vertrieben wurden“, wie es in einem der vielen Berichte über den Aufbau des staatlichen Unternehmens Elite heißt, „verließen sie die Tschechoslowakei illegal, verschwiegen aber, dass sie Material im Wert von mehreren zehn Millionen in verschiedenen Speditionsunternehmen auf dem gesamten Gebiet des ehemaligen Deutschlands versteckt hatten.“

Die Firma Kunert nahm die Produktion in Immenstadt in zwei Kasernen, die ihr von der US-Armee überlassen wurden, wieder auf. Sie stellten vorrangig ihre ursprünglichen Facharbeiter ein, die in Varnsdorf bereits gefehlt hatten. Dank des guten Absatzes konnten die Brüder bald ihre erste eigene Produktionsstätte bauen, wiederum nach einem Entwurf von Rudolf Dinnebier. Heinrich Kunert schied nach einiger Zeit aus dem gemeinsamen Unternehmen aus und gründete Strumpf- und Wäschestrickfabriken in Österreich (Rankweil) und Deutschland (Lindau, Freyung, Deggendorf). 1978 übernahm Julius Kunert die Mehrheit am Hudson-Konzern und mit dem Erwerb der Fabriken in Vilsbiburg, Berlin, Mosbach, Hof und Athen wurde Kunert wieder zum größten europäischen Strumpfwarenhersteller.

Obwohl das Unternehmen die Produktion nie einstellte und in der Lage war, seinen Verpflichtungen gegenüber den Kundinnen und Kunden nachzukommen, wurde in den Werbematerialien der verstaatlichten Elitka über den völlig desolaten Zustand des Unternehmens gelogen, „das nach dem siegreichen revolutionären Mai dank der langen und oft mühsamen Arbeit einiger Enthusiasten seinem heutigen Umfang erhielt, als durch die Eingliederung von Beschlagnahmungen das ohne Übertreibung größte Unternehmen seiner Art in der Welt entstand …“

Spinnweben vs. Chinchillas

Der bereits erwähnte Verwalter Vladislav Matulík hatte vor allem mit Personalmangel zu kämpfen. Waren 1939 noch 3.500 Arbeiterinnen und Arbeiter in Varnsdorf, Krásná Lípa und Vlčí Hora, so schrumpfte ihre Zahl bis Oktober 1945 auf 1.322, darunter 210 tschechische Arbeiter und 111 tschechische Arbeiterinnen, 263 deutsche Arbeiter und 733 deutsche Arbeiterinnen sowie fünf weitere aus dem Ausland. Im Dezember 1947 hatte sich die Gesamtzahl um lediglich 228 erhöht, und die Zahl der deutschen Arbeiter hatte sich halbiert. Auch die Ankunft von 120 Fachkräften aus den Baťa-Strumpffabriken in Zlín und einer Klasse von Absolventinnen und Absolventen der Baťa-Ausbildungsstätte in Třebíč (Trebitsch) stellte keine Verbesserung der Situation dar. Der Staatsbetrieb „Továrny jemných punčoch Varnsdorf“ („Fabrik für Feinstrümpfe Varnsdorf“) wurde am 1. Januar 1946 gegründet und am 10. November 1947 umbenannt in „Elite sdružené továrny punčoch národní podnik Varnsdorf“ („Elite – vereinigte Strumpffabriken, Staatsbetrieb Varnsdorf“), im Volksmund Elitka genannt. Das Unternehmen kämpfte dauerhaft mit Fachkräftemangel und niedrigen Umsätzen. Anfang der 1950er Jahre führte der Fachkräftemangel bei Elite zum Einsatz von „Doppelarbeiterinnen“, d. h. Strickerinnen, die – natürlich mit sowjetischer Expertise – zwei 17 Meter lange Cottonmaschinen bedienen konnten, die 48 Strümpfe gleichzeitig strickten.

Da es sich bei der Elitka um einen Betrieb handelte mit nahezu rein weiblicher Belegschaft handelte und junge Frauen aus dem ganzen Land das Strickerei-Handwerk in diesem Unternehmen lernten, setzten die Vertreter der Bezirks, des Kreises und der Stadt alles daran, die ausgebildeten Arbeiterinnen dauerhaft in der Firma zu halten. Insbesondere versuchten sie, für eine ausreichende Anzahl junger Männer in der Stadt zu sorgen, was durch die Verlegung von Militärgarnisonen, Schulen und Lehrbetrieben erleichtert wurde. Allerdings arbeiteten nicht alle Frauen freiwillig in der Elitka – ein bestimmter Teil des Werks diente in den 1950er Jahren als Außenstelle des Gefängnisses Liberec (Reichenberg). Frauen, die in politischen Prozessen verurteilte wurden, arbeiteten dort ebenso wie Ordensschwestern, die nach der erzwungenen Schließung von Frauenklöstern („Aktion Ř“) ihre Wirkstätten verlassen mussten.

1947 gelang es dem Chemiker Bohumil Piller, ein Verfahren zur Verarbeitung der Kriegsvorräte an Fallschirmseide (Perlon) zu entwickeln, um Strümpfe herzustellen – einschließlich Färbe- und Veredelungsverfahren. Die „Perlonky“ wurden zum Erfolg, aber der Vorrat an Polyamidfasern war bald erschöpft. 1950 begannen auch die Gebrüder Kunert in ihrem Werk in Immenstadt mit der Produktion von Strümpfe aus Cotton-Perlon unter dem Markennamen „Soraja“.

In der Elitka wurde ab 1950 die Kunstfaser Silon verarbeitet, zunächst zur Verstärkung der beanspruchten Teile der Strümpfe. Die Chemiker des Unternehmens gehörten zu den ersten in Europa, die das Kreppen (Kräuseln) der Silonfaser beherrschten. Zu Beginn der 1960er Jahre kamen Produkte aus dem begehrten Kreppsilon auf den Markt. Die Strümpfe, die unter den Namen „Simona“, „Anabela“, „Aranka“, „Manon“, „Jarmila“, „Irena“ und „Lenka“ verkauft wurden, waren nicht gerade billig. Im Jahr 1962 mussten Frauen zwischen 23 und 40 Kronen für sie ausgeben, und die elastischen Kreppsilon-Strümpfe kosteten fast fünfzig Kronen, was bei einem Durchschnittsgehalt von etwa 1.200 Kronen eine beträchtliche Ausgabe war. Wenn die Strümpfe beschädigt wurden, vertrauten die Besitzerinnen sie der Reparaturwerkstatt der Genossenschaft „Obnova“ („Erneuerung“) an, die von der Presse immer wieder für ihre langsame und mangelhafte Arbeit gerügt wurde. So teuer die Strümpfe auch waren – oft waren sie gar nicht erhältlich, und die Presse forderte die Verbraucherinnen auf, sich mit zehn Paar pro Jahr zu begnügen.

Das Staatsunternehmen Elite vereinigte zwölf konfiszierte Strickereien in Nord- und Westböhmen, hauptsächlich in Krásná Lípa und Vejprty (Weipert). Am 1. April 1958 wurde das nationale Unternehmen in „Elite, výroba punčoch“ („Elite, Produktion von Strumpfwaren“) umbenannt und dem „Sdružení podniků pletařského průmyslu v Písku“ („Verband der Strickwarenindustrie in Písek“) unterstellt. Seitdem bestand der Staatsbetrieb aus vier Produktionsstätten in Varnsdorf, Krásná Lípa, Chrudim und Teplice (Teplitz). Das Werk in Teplice wurde 1960 vom Staatsbetrieb BONEX übernommen, nachdem die Produktion von Strumpfwaren eingestellt worden war.

Ab 1958 wurden die Cottonmaschinen durch die Rundstrickmaschinen „Dana“ ersetzt, die für die Herstellung der begehrten nahtlosen Strümpfe verwendet wurden. Nach der Rekonstruktion der ausrangierten Cottonmaschinen begann man darauf in Krásná Lípa ab 1957 mit der Herstellung von flachgestrickter Oberbekleidung. Bereits 1957 konnte Krásná Lípa vierzigtausend Damenpullover produzieren, von denen drei Viertel exportiert wurden. Leichte modische Pullover, Westen und Twinsets waren auch auf der Brüsseler Weltausstellung (EXPO) ein Renner.

Dass die tschechoslowakische Strickerei-Produktion der Welt nicht hinterherhinkte, beweist die Tatsache, dass auch Julius Kunert in Immenstadt zwischen 1957 und 1958 gezwungen war, die Cottonmaschinen einzustellen und durch Strickautomaten zu ersetzen, weil die Verbraucherinnen nahtlose Strümpfe bevorzugten. Bei der Produktion nahtloser Strümpfe, deren Produktion durch die weltweit modischen Miniröcke eingeleitet wurde lag die Firma Kunert vor der Elitka: in Immenstadt begann die Produktion 1965, in Varnsdorf ein Jahr später. Der Siegeszug der nahtlosen Strümpfe bedeutete einen deutlichen Rückgang in der Produktion traditioneller Strümpfe. Auch bei der Entwicklung neuer Materialien ließ die Familie Kunert nicht locker: Das in den fünfziger Jahren entwickelte elastisches Nylongarn Chinchillan wird noch heute benutzt und auch als Markenname verwendet.

Obwohl die Elitka hauptsächlich den Ostblock mit Strümpfen und anderen Strickwaren belieferte, hielt das Unternehmen immer mit modischen und zeitgenössischen technologischen Trends Schritt, sodass seine Produkte auch auf den westlichen Märkten erfolgreich waren. Zur Jahreswende 1989/90 produzierte die Firma Elite Varnsdorf 50 Millionen Stück Strumpfhosen und 10 Millionen Paar Strümpfe.

Probleme traten auf, nachdem 1990 die Exporte in die Sowjetunion und andere sozialistische Länder zurückgegangen waren, was nur teilweise durch die Zusammenarbeit mit deutschen Partnern ausgeglichen werden konnte. Ab 1986 produzierte das Unternehmen über PZO Centrotex Oberbekleidung für die Firma Bode, und 1990 kam es zur Zusammenarbeit mit der Aktiengesellschaft Kunert, für die im Jahr 1996 pro Tag 30.000 bis 38.000 Socken, Strümpfe und Strumpfhosen auf modernen, von der Firma installierten Maschinen produziert wurden. Der Geist der Kunerts kehrte für einige Zeit in die Elitka zurück, und der neunzigjährige Mitbegründer des Unternehmens, Julius Kunert (gestorben am 7. Februar 1993), war vermutlich zufrieden.

Das Feuer kehrt zurück

Die Privatisierung des staatlichen Unternehmens Elite Varnsdorf wurde vom Ministerium für die Verwaltung des Staatseigentums erst im Rahmen der zweiten Privatisierungswelle im Jahr 1993 durchgeführt. Der größte Anteil (52 %) wurde von der Prager Firma „I.I.T.E.“ erworben, die sich mit Beratungs- und Geschäftstätigkeiten befasste, 25 % gelangten in den Besitz von Einzelaktionären. Diese Prager Firma privatisierte auch ein anderes großes Varnsdorfer Unternehmen: TOS. Das Werk in Krásná Lípa wurde separat privatisiert, und seine neuen Eigentümer setzten die Produktion von Strickwaren in der Firma Novia fort. Gleichzeitig wurde das Werk Chrudim ausgegliedert und in die Aktiengesellschaft EVONA umgewandelt. Am 27. Dezember 1993 wurde das staatliche Unternehmen Elite zu einer Aktiengesellschaft.

Während das Unternehmen 1990 noch 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigte, waren es 1995 nur noch 1.100. Weitere Exportprobleme für die Elitka verursachte die Unabhängigkeit der Slowakei, die einen Importzuschlag einführte. Diese Maßnahme führte zu einem 30-prozentigen Rückgang der Einfuhren von Varnsdorfer Maschenwaren auf dem slowakischen Markt.

Die Aktiengesellschaft Elite hatte immer wieder mit Absatzschwierigkeiten zu kämpfen und entließ schließlich mehr als die Hälfte ihrer Angestellten. Nach dem Verkauf der Produktionsanlagen zog die ehemalige Strickerei Anfang 2023 mit den paar Dutzend Beschäftigten in die funktionalistische Fabrik der ehemaligen Fabrik von Adolf Schindler in Krásná Lípa um, die auf Betreiben von Josef Franz Palme errichtet wurde. Seit 2018 ist sie im Besitz der Gesellschaft „Novia Fashion“ unter der Leitung von Ing. Martin Veselík, auf dessen Veranlassung der Firmenname 2022 in „Schindlerova pletárna s.r.o.“ („Schindlers Strickfabrik“) geändert wurde. Das Unternehmen arbeitet im Geiste des Mottos „Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche“.

Ironischerweise gelangte das Erbe der Firma Kunert in die Hände der Nachfolger von Adolf Schindlers Firma, eine gewisse Genugtuung für den unglücklichen Geschäftsmann Josef Franz Palme. In der Schindler‘schen Fabrik wird heute die gesamte Palette der Feinstrumpfwaren der Marke Elite hergestellt: Strumpfhosen, Strümpfe, Kniestrümpfe, Socken und Ballerina-Söckchen.

Autor Jan Němec
Jan Němec studierte Geschichte und Archivwesen in der Tschechischen Republik und in Deutschland und ist derzeit Leiter des Staatlichen Bezirksarchivs in Děčín. Er arbeitet im Bereich der Industrie- und Verkehrsgeschichte.

Quellen des Bildmaterials:
Staatliches Regionalarchiv in Litoměřice, Zweigstelle Most (Elitefonds Varnsdorf)
Europas Größte Strumpffabriken Kunert, Warnsdorf, 1938

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